Cannabis sativa, Hanf

Sanskrit: Bhañgā, Mādanī, Mātulānī

Cannabis gehört zu den Hanfgewächsen (Cannabaceae) und ist eine Unterabteilung der Maulbeerbaumgewächs (Moracea)

Āyurvedisch wirkt Cannabis Vāta und Kapha reduzierend. Der Geschmack ist bitter, die Qualitäten sind leicht und spitz, die thermische Potenz kühlend und die systemische Wirkung scharf. Als spezifische Wirkung wird madakārī (narkotisch) hervorgehoben.

Āyurvedisch gebrauchte Anteile: Bhāṃga (= Blätter und kleine Zweige mit Blüten und Früchten), Gāṃjā (= Blütenstaub der weiblichen Pflanzen), Caras (Harz, das auf Blättern und Zweigen zu finden ist).

Es handelt sich um eine 1-6 m hohe einjährige Pflanze mit 5-9 zählig gefingerten Blättern und dichtgedrängt stehenden Blüten, die von Juli bis August blühen. Die Pflanze ist zweihäusig, d. h. es existieren männliche und weibliche Pflanzen. Die weiblichen sind größer und dichter belaubt und bilden im Vergleich zu den männlichen Vertretern harzreiche Blüten, die die begehrten psychotropen Inhaltsstoffe enthalten. Nach Einsetzen der Blüte wird im Bereich der Triebspitzen der Drüseninhalt als cannabinoidreiches Harz abgesondert. Anschließend bildet die Pflanze als Samen 0,3 – 0,5 cm große, harte, glänzende Nüsschen von grauer bis schwarzer Färbung aus.

Das ursprüngliche Vorkommen ist im westlichen Asien, Iran und Indien.


Medizinisch werden drei Arten unterschieden:

Cannabis sativa

Weltweit heimisch. Lange, schmal gezackte Blätter. Bevorzugt zur Behandlung von Übelkeit und Brechreiz (z. B. durch eine Chemotherapie oder durch HIV/Aids-Medikamente), Appetitlosigkeit, Migräne, Depression, chronischen Schmerz,

Handelspräparat: SativexR, SativexR Mundspray

Cannabis indica

Vorkommen in Zentralasien. Breite, kurze, dunkelgrüne bis lilafarbene Blätter. Bevorzugt zur Behandlung von Muskelspasmen (Krämpfen) und Tremor-Symptomen (die z. B. bei Multipler Sklerose oder Morbus Parkinson auftreten) sowie bei chronischen Schmerzen, Schlaflosigkeit oder Ängsten.

Cannabis ruderalis

Wild oder verwildert wachsend, enthält äußerst wenig THC.

Unter Botanikern ist es derzeit noch umstritten, ob Cannabis indica eine eigene Art oder aber eine Unterart von Cannabis sativa ist. C. indica wird lediglich als Medizinalpflanze und Rauschmittel verwendet. Von C. sativa existieren die Varietäten C. sativa var. sativa (der vielfältig verwertbare Kultur-Hanf) sowie C. sativa var. spontanea Vav. (Wild-Hanf). Zeitweilig diskutiert wurde auch eine Eigenständigkeit von C. ruderalis. Als Nutzhanf bezeichnet werden Sorten des Kultur-Hanfs mit weniger als 0,2% THC. Derzeit gibt es in der EU mehr als 40 zertifizierte Sorten.


Aus Cannabis werden Haschisch und Marihuana gewonnen. Haschisch ist das von den weiblichen Blüten, im Allgemeinen unter tropischen Bedingungen, gebildete Harz (THC-Gehalt 5-20%). Marihuana sind die getrockneten Sprossspitzen mit Blüten und Blättern der weiblichen Pflanze (THC-Gehalt 1-25%)

Inhaltsstoffe Hanfkraut: über 60 Cannabinoide (Tetrahydrocannabinol-Verbindungen (THC), Cannabiol (CBN), Cannabidiol (CBD)), ätherisches Öl, Harze, Cholin, organische Säuren

Inhaltsstoffe Hanfsamen: 30-35% Fette (davon 80% ungesättigte Fettsäuren, 2-3% Gamma-Linolensäure), 20-24% Proteine, 33% Ballaststoffe, B-Vitamine, Vitamin E, Kalzium, Magnesium, Kalium, Eisen.

Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) ist psychotrop und agonistisch an CB1-Rezeptoren. Es wirkt beruhigend, entspannend, stimmungshebend, antispastisch.

Cannabidiol (CBD) ist nicht psychotrop, antiemetisch (Brechreiz-stillend), neuroprotektiv (nervenschützend), antiphlogistisch (entzündungshemmend), analgetisch (schmerzlindernd), antagonistisch an CB1-Rezeptoren und serotonergen HT3-Rezeptoren.

Es gibt Pflanzenextraktmischung mit THC + CBD im Verhältnis 1:1, auch als Nabiximol  bezeichnet.

Medizinisch verwendet werden getrocknete Blüten oder Extrakte vorwiegend von Cannabis sativa. Der Gehalt an psychotropen Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) ist je nach Sorte in den Blüten unterschiedlich hoch.

Wirkungen: hypnotisch, narkotisch (madakārī), dīpana (verdauungsfördernd), analgetisch (schmerzlindernd), antikonvulsiv (krampflindernd), stimuliert das Herz (geringe Dosis, bzw. bei Therapiebeginn), kardiodepressiv (hohe Dosis, bzw. Langzeittherapie), ejakulationsverzögernd (śukrasthambana), bronchodilatatorisch (geraucht) (śvāsahara), diuretisch (harntreibend), antiemetisch (Brechreiz-stillend), bakteriostatisch, bakterizid, appetitanregend,

Am Auge senkt Cannabis den Augeninnendruck; eine Abnahme bis zu 57% wurde beobachtet. Die Wirkung ist der von Pilocarpin in etwa vergleichbar, jedoch mit längerer Wirkdauer.

Cannabis wirkt antimikrobiell. Bei Staphylokokken und Streptokokken wurden bakteriostatische und bakterizide Effekte nachgewiesen.

Rauchen von Cannabis kann bei Asthma bronchiale einen therapeutischen Benefit bewirken. Dosen von 15 mg THC bzw. das Rauchen einer Marihuana-Zigarette entsprechen der klinischen Wirkung von Salbutamol. Die Wirkdauer beträgt etwa 2 Stunden.

Medizinisch anerkannte Indikationen: Symptomverbesserung für Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Spastik aufgrund von Multipler Sklerose, die nicht angemessen auf andere Antispastika angesprochen haben und eine klinisch erhebliche Verbesserung von mit Spastik verbundenen Symptomen aufzeigen. Chronische Schmerzen, Appetitlosigkeit, Chemotherapie.

Off label use (nicht im Krankenkassen-Katalog enthalten): Morbus Parkinson, Tick-reduzierend beim Tourette-Syndrom, analgetisch bei neuropathischen Schmerzen, Blasen-Detrusor-Überaktivität, Querschnittslähmung


Entwicklung in Deutschland

Anbauverbot 1982, 1996 gelockert

Seit dem 01. Juli 2011 ist  Nabiximol (SativexR Mundspray, maximal 12 Sprühstöße/Tag) in Deutschland zugelassen für Patienten, die an schweren spastischen Lähmungen und Krämpfen aufgrund einer Multiplen Sklerose leiden. Cannabisblüten sind bei chronischen Schmerzen, Appetitlosigkeit, Chemotherapie zugelassen.

Am 11.6.2014 entschied das Oberverwaltungsgericht in Münster in einem Berufungsverfahren, dass der Anbau von Cannabis zur Selbsttherapie im Einzelfall zulässig sei.

Dronabinol: THC teilsynthetisch. Keine Zulassung in Deutschland,  aber verkehrs- und verschreibungsfähig. Es ist ein Rezepturarzneimittel (für 22,7 Kapseln, 22,8 ölige Tropfen nach NRF-Vorschrift), kein Fertigarzneimittel. Der Deutsche Arzneimittelkodex des Bundes Deutscher Apotheker hat eine entsprechende Rezepturvorschrift herausgegeben.

Eine andere Möglichkeit besteht im Import aus den USA (MarinolTM Kapseln (5 – 30 mg/Tag), dort zugelassen gegen Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapie und Anorexie bei HIV/Aids-Patienten). Kann in Sonderfällen nach Vorliegen einer Verschreibung (Betäubungsmittelrezept) von Apotheken importiert werden (§ 73 Abs. 3 AMG)

Nabilon: vollsynthetisches reines THC. Bisher in Großbritannien und USA als CesametTM Kapseln (1 – 4 mg/Tag), in Österreich als CanemesR Kapseln zugelassen. Seit 01/2017 besteht die Markteinführung von CanemesR 1mg Kapseln in Deutschland zur Behandlung von Chemotherapie-induzierter Übelkeit und Erbrechen, wenn der Patient auf andere antiemetische Behandlungen nicht adäquat anspricht.

Im Februar 2017 gab der Bundesrat Cannabis auf Rezept für Schwerkranke in Deutschland frei. Das Gesetz (§ 73 Abs. 3 AMG 2, Anlage III BtMG) regelt den Rahmen für die Verschreibung und Erstattung von Cannabisarzneimitteln in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten und die Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon. Das Gesetz tritt mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger ab 01.03.17 in Kraft. Der Anbau von Medizinalhanf erfolgt in Deutschland, die Aufträge vergibt eine staatliche Cannabisagentur, die eigens beim BfArM angesiedelt wird. Bis der Anbau sichergestellt ist, wird auf Importe zurückgegriffen. Somit ist Cannabis auch als Einzeldroge (Blüten) zugelassen.

Cannabis kann künftig auf Betäubungsmittelrezept verschrieben werden bei schwerer Appetitlosigkeit oder Übelkeit infolge Chemotherapie, bei Multipler Sklerose und bei chronischen Schmerzen. Die Kosten der Cannabis-Therapie werden in diesen Fällen von den Krankenkassen erstattet. Die Krankenkasse kann die Kostenübernahme nur „in begründeten Ausnahmefällen“ ablehnen und muss ihr Nein dann detailliert belegen. Der Gehalt an Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) in medizinisch verwendeten Cannabisblüten wird künftig standardisiert. Damit können Ärzte auf der Verordnung den THC-Gehalt angeben, anstatt die Droge in Gramm zu verschreiben.

Cannabisblüten und –extrakte können für jede Indikation verordnet werden, wenn „eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung im Einzelfall nicht zur Verfügung steht“ oder wenn die Leistung „im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann“.

Vor Behandlungsbeginn muss eine Genehmigung der Krankenkasse erteilt werden, sofern die Behandlung zu ihren Lasten erfolgen soll. Eine Verordnung mittels Privatrezept kann jederzeit und für jeden Indikation unabhängig von einer Genehmigung durch die Krankenkasse erfolgen. Die Verschreibungshöchstmenge beträgt 100 g in 30 Tagen. Auf dem Rezept muss neben der Menge auch die Cannabissorte angegeben werden. Aktuell können ausschließlich aus dem Ausland importierte Cannabissorten verordnet werden. Laut Gesetz muss der verordnende Arzt an einer nicht interventionellen, ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken dienenden Begleiterhebung teilnehmen. Ist der Arzt dazu nicht bereit, ist eine Kostenerstattung durch die Krankenkasse ausgeschlossen. Der Arzt muss für jeden einzelnen Patienten, der mit Cannabis behandelt wird, anonymisiert Daten zu Alter, Geschlecht, Diagnose, früheren und aktuellen Behandlungen sowie den Verordnungsgrund für die Behandlung mit Cannabis inklusive Dosis, Wirksamkeit, Verträglichkeit und Lebensqualität an das BfArM übermitteln.


Nebenwirkungen: in hohen Dosen toxisch.

Akut: Veränderung der Wahrnehmung und der Psyche, Rauschzustände, Euphorie, Sinnestäuschungen, Halluzinationen bei Bewusstsein, gerötete Bindehäute, vergrößerte Pupillen, beschleunigter Puls, Sucht, Reaktion, Konzentration, Aufmerksamkeit herabgesetzt, dem Rausch folgt Depression, Schlaf, Auslösung von Psychosen möglich, selten Tod durch Atemstillstand.

Chronisch: Schlafstörungen, Schädigung der Atemwege, Appetitverlust, Abmagerung, Libidoverlust, Gedächtnisverlust, Tremor, Demenz

Bei regelmäßiger Einnahme tritt meist eine Gewöhnung ein, sodass Cannabis-basierte Medikamente allgemein als gut verträglich gelten. Geraucht hat die Droge in etwa eine dreifach stärkere Wirkung als bei oraler Aufnahme.

Kontraindikationen: schwere Persönlichkeitsstörungen, Psychosen, schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schwangerschaft, Stillzeit. Zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen fehlende Datenlage

Die frühesten bekannten Aufzeichnungen über den rituellen und medizinischen Gebrauch von Cannabis stammen aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. und finden sich neben chinesischen Kräuterbüchern auch im Atharvaveda (1500 v. Chr.) aus Indien. In der chinesischen und indischen Medizin wird immer wieder ein Nutzen bei nervösen Verstimmungen, Schlafstörungen, Erbrechen oder Husten erwähnt, alles Indikationen, die sich mit den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen decken.

Archäologische Funde in Taiwan weisen jedoch auf eine viel frühere Verwendung bis zurück in die Steinzeit hin.

Sowohl die Griechen als auch die Ägypter trugen vielfach Gewänder aus Hanf.

Nach Ibn Sina (Avicenna, 980-1037) soll Cannabis Blähungen und eitrige Geschwüre vertreiben. Wie Dioskurides nennt er die Anwendung bei Ohrenschmerzen, wobei es jedoch zu Kopfschmerzen kommen könne. Dem Magen sei er nützlich, er trockne aber das Sperma und mache damit unfruchtbar.

Bis ins frühe 20. Jh. war Hanf auch ein wichtiger Rohstoff für Seile, Segel und Papier. Die Gutenberg-Bibel wurde 1455 auf Hanfpapier gedruckt, ebenso 1776 die amerikanische Unabhängigkeitserklärung.


Quellen:

  • Gupta+Stapelfeldt;
  • P. V. Sharma
  • Apotheker M. Pahlow, Das Grosse Buch der Heilpflanzen
  • Niedenthal T, Mayer JG. Dämon, Nutz- und Arzneipflanze. Zur Geschichte von Cannabis mit der den jüngsten Entwicklungen. Zeitschrift für Phytotherapie 2015; 36: 207-211
  • Dtsch Arztebl 2017; 114(8): A 352-6
  • Siegfried Bäumler, Heilpflanzen Praxis heute

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